Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante
Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante
Ich denk’ an deine Tante, / wüßte nicht, wann ich je so brannte. / Ist sonst nicht meine Art, / liegt an Hildegard ...
Woher Sebastian Krämer deine Tante kennt, ist eine gute Frage. Und wenn er sie kennt, warum er ihr dann
ausgerechnet Liebeslieder widmet, vielleicht eine noch bessere. Du hast gar keine Tante? Oder sie ist vor
kurzem verstorben? Nun, das würde immerhin die Verzweiflung erklären, die aus manchen dieser Stücke
spricht, die Ratlosigkeit, die Melancholie. Oder den abstrusen Humor, den Krämer nicht zu planen scheint,
der wie ein Schicksal über uns hereinbricht, wenn wir ihn schon nicht mehr für möglich gehalten hätten.
Diese Chansons wollen nicht „Mut machen“, haben keine Parolen oder auch nur Empfehlungen zur
Gestaltung einer besseren Welt zur Hand. Wir haben es hier nicht mit zielführender Kritik an den
bestehenden Verhältnissen zu tun. Wohl aber mit dem Versuch, den sorgsam verpackten Schmerz im Hörer
aufzuspüren und freizusetzen, weil er zum wenigen gehört, das ihm inmitten seiner ganz persönlichen
Zombie-Apokalypse noch die eigene Lebendigkeit anzeigt. Die bizarre Schönheit der Krämerschen Verse
und Harmonien ist mit jenem Schmerz im Bunde. Und mit deiner Tante ...
Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante
Pressezitate:
Der 44-Jährige zeigt seinem Publikum: Ich verstehe die Welt genauso wenig wie ihr, ich bin von alldem dort
draußen genauso überfordert – aber immerhin kann ich meine Unwissenheit und meine Unsicherheit in eine
Form bringen. Und diese Form hat es in sich: Mit einem untrüglichen Gespür für Rhythmus, musikalischer
Genialität und sprachlicher Präzision wirft sich Sebastian Krämer regelrecht in seine Nummern. [...] Das
Leben direkt vor unser aller Fenster. Bei ihm findet das Lachen seinen ursprünglichen Sinn: Es dient der
Erleichterung darüber, dass man den Widersinn von Krämers Erzählungen nicht auflösen muss – genauso
wenig wie die Zumutungen des Weltgeschehens. Kathartisch geläutert, immens unterhalten und nachhaltig
getröstet geht man aus einem Abend mit Sebastian Krämer nach Hause, zurück zu den eigenen
Absurditäten.
Aus der Begründung der Jury zur Vergabe des Musikpreises (Bayerischer Kabarettpreis) 2020 an
Sebastian Krämer
In seinen Liedern erzählt er, poetisch und ironisch gefärbt, wie ein geübter Billardspieler gern über Bande,
also indirekt ins Ziel findend. In seinen Kompositionen ist ihm dagegen die offene Emphase nicht fern. [...]
Und wenn es in seinem Lied „Flugzeuge über meinem Garten“ sophisticated heißt, „Ich schau ja nur“, ist das
mehr als eine Zeile. Denn „der eigene Blick“ ist das Wichtigste für einen Künstler, „die subjektive Perspektive
und der persönliche Ausdruck“. Ob mit oder ohne Geigen, Sebastian Krämer ist ein charmanter Hans-guckin-
die-Luft, der dem Großen im Kleinen schmeichelt und das Kleine breitwandig-vollinstrumentiert
abendfüllend auszubreiten versteht.
Berliner Zeitung, 14.1.2020
... Das liegt zuvorderst daran, dass Krämers Kunst sich den gängigen Schubladen entzieht. Kabarettist
würde er sich nie nennen, Comedian erst recht nicht. Er ist ein Chansonnier im komischen Fach, schlimmer
noch, ein Vertreter der Hochkomik. Und selbst in dieser Nische ist er ein Unikum, nicht zeitkritisch wie ein
Thomas Pigor, keine absurde Kunstfigur wie Rainald Grebe, kein zwanghafter Reimeschmied wie Bodo
Wartke. Krämer sieht sich in der Liedermacher-Tradition eines Christof Stählin, dessen "Sago-Akademie für
Poesie und Musik" er auch besucht hat. Da hat er vor allem gelernt, dass ein Liedermacher sich vor zu viel
Selbstinszenierung hüten und nicht jedes Lied Ausdruck des Innersten sein muss. So kommt es zu der
enormen thematischen wie stilistischen Bandbreite seiner Lieder und zu den oft eher abseitigen,
abgründigen Themen, die sich ihren Weg gewissermaßen selbst gesucht haben.
Süddeutsche Zeitung, 4.6.2019
Verschrobene Lyrik, bildgewaltige Sprache, verwegene Harmonien
MINT-Magazin, II, 2019
Sebastian Krämer: Liebeslieder an deine Tante