
Mitten aus dem bunten Leben wird der genusssüchtige, hartherzige Jedermann auf Gottes Geheiß vom Tod abgeholt. Eben noch hat er die guten Ratschläge seiner Mutter in den Wind geschlagen, hat höhnisch die Bitten seiner armen Nachbarn und Schuldner um Hilfe abgewiesen. Jetzt, angesichts des Todes, verlassen ihn alle Freunde, seine Buhle und seine Verwandten. Für seinen Reichtum kann er sich nichts mehr kaufen – er verzweifelt, als niemand ihn ins Grab begleiten will. Erst als ihm die vernachlässigten "Guten Werke" und der "Glaube" als allegorische Figuren fürbittend folgen, betet er um Erbarmen und fleht Gott um Hilfe an. Ellen Schwiers, die im Stück auch die Rolle von Jedermanns Mutter übernimmt, inszeniert den Jedermann eng an der klassischen Vorlage von Hugo von Hofmannsthal mit opulenten, schillernden Kostümen und einem minimalistischen Bühnenbild. Mutig und kantig, versehen mit vielen humorvollen Anspielungen, bringt das hochkarätige Ensemble das Stück bei allem Ernst sehr lebendig auf die Bühne. Die kraftvolle Inszenierung wurde 2009 mit dem 1. Preis der InThega ausgezeichnet. Der Autor Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) wurde im April 1903 brieflich durch den Freund Clemens Freiherr zu Franckenstein (1875–1942) auf eine Londoner Aufführung des Everyman aufmerksam gemacht. Dem Brief lag ein Textheft bei. Hofmannsthals Interesse war geweckt, aber erst 1911, nach einer Begegnung mit Max Reinhardt, vollendete er die Erneuerung des alten Spiels vom Sterben des reichen Mannes. Mit dem Buch- und Bühnenerfolg des Jedermann wurde Hofmannsthal zunehmend bewusst, dass es sein schöpferischer Eigenanteil war, der die Eingliederung des Stücks ins deutsche Repertoire ermöglichte. Seit der Uraufführung 1911 in Berlin durch Max Reinhardt ist die Publikumswirkung des Stücks ungebrochen.